Kaukasus Teil 3 – Die nun wirklich letzte Skitour

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In diesen Berichten über unsere Reise wird so viel über mich (Andreas) geschrieben, dass es nun an der Zeit ist, dass ich mich mal selber zu Wort melde. Dies nehme ich als Anlass, den dritten und wohlmöglich letzten Bericht über den Kaukasus zu verfassen, den Tiflis ruft nach uns.

Die Rückreise von Russland nach Georgien staffelten wir in zwei Tage, es waren ja schliesslich knapp 200km. Michelle entdeckte im Russland-Reiseführer den Blue Lake, welcher nur 40km abseits unserer geplanten Strecke in einem Seitental lag. Lonely Planet gefolgt nahmen wir Kurs darauf. Uns erwartete einen kleinen „Tümpel“ mittten im Nirgendwo, umbaut von Restaurants und Marktständen. Wir suchten uns durch Enten- und Schwanenkacke einen Weg zum Wasser, denn eine Abkühlung hatten wir nach dieser hitzigen Fahrt beide nötig. Auch wenn der „See“ stark dem Werdenbergerseeli oder dem Mühleweier ähnelt, tiefblau und kühl war das Wasser der Beschreibung entsprechend. 10km zurück Richtung Hauptroute fanden wir einen gemütlichen Übernachtungsplatz auf einer Kuhweide, direkt an einem Fluss der durch warme Quellen angenehme Badetemperatur aufwies.

Die Einreise nach Georgien ging ganz angenehm von statten. Papiere zeigen, Stempel abwarten (ca. 1h) und schon hiess es wieder, welcome to Georgia! Das Wetter war sehr regnerisch, was uns jedoch nicht davon abhielt, noch die Gveleti Wasserfälle zu erkunden. Diese zwei schöne Wasserfälle waren in ca. 1.5h Fussmarsch direkt von der Heerstrasse aus zu erreichen. Wären wir nicht im grössten Regen- Hagelsturm unterwegs gewesen, hätten wir bestimmt auch andere Touristen angetroffen. Zurück bei unserem gewohnten Platz nahe Stepandsminda mussten wir erstmals das Wasser aus unseren Schuhen leeren. Selma wurde kurzerhand zur Trocknungshalle umgerüstet. Tags darauf machten wir nach Yoga- und Krafttraining eine Kurzwanderung auf den nächstgelegen Hügel. Nach zähen 500hm wurden wir mit einer tollen Weitsicht belohnt.

Der Mt.Kazbek, welcher mächtig über Stepandsminda thront hat schon länger unser Interesse geweckt. Nach der Elbrus-Besteigung waren wir auch der Ansicht, dass eine Besteigung dieses 5000er für uns ohne Guide möglich sein könnte. Wir verbringen also viel Zeit damit, Berichte zu lesen und uns moralisch für dieses Abenteuer vorzubereiten. Gemäss unserer Erkundungswanderung vom 25.4 (siehe Bericht Kaukasus Teil 1) wäre auch noch genug Schnee für eine Skibesteigung vorhanden. Wäre…

Der Wetterbericht lies aber noch einen Tagesausflug per Fahrrad ins Trusovalley zu. Der Typ im Bike-rental meinte auch, die knapp 70km bis ans Ende des Tals wären in einem Tag gut machbar. So fuhren wir los, wenn wir auch ursprünglich planten, die Bikes mit Selma bis zum Taleingang (ca. 15km Ersparniss) zu transportieren. Die Strassen und Bikes waren jedoch so schlecht, dass unsere Gesässe schon nach 10km nach einer Umkehr schreiten. So fuhr ich per Autostopp zurück nach Stepandsminda, stieg auf Selma um und fuhr zurück zu Michelle. Bikes einlanden und den Rest bis ins Valley motorisiert zurücklegen. Wo der Asphalt zu Schotter wurde sattelten wir wieder die Bikes und erkundeten nun per Pedal das wunderschöne Truso Valley. Eindrückliche Canyons, wilde Steinformationen und verschiedenste Mineralquellen liessen uns die Po-Schmerzen gänzlich vergessen.

Zurück bei unserem definitiv längsten Standplatz hiess es nun Tourenplanung für den Mt.Kazbek, denn es gab viel zu organisieren. Am Freitag tätigten wir zuerst einen Einkauf für die Verpflegung, welche wir während dem Aufstieg (der gemäss Literatur mind. 4 Tage in Anspruch nimmt) benötigen. So wurde jede Menge Powerfood, Nüsse, Instantnudeln, Kondensmilch etc. besorgt. Für die Übernachtung in der ausrangierteten Meteostation „Betlemi“ benötigen wir noch Schlafsäcke. Denn die „Hütte“ ist keineswegs mit einer schweizer SAC-Hütte vergleichbar. Verpflegung sowie Kochutensilien sind selbst mitzubringen, für die Übernachtung stehen Holzgestelle zur Verfügung und ein Koch- Essraum ist vorhanden. Fliessend Wasser vom Gletscher aus einem Schlauch sei je nach Wetter auch vorhanden.

Die Schlafsäcke konnten wir in einem Bergsteigerbüro mieten, so fuhren wir hoffentlich „komplett“ die neu gebaute Bergstrasse hoch zur Tsminda Sameba Kirche. Zuvor war diese nur zu Fuss oder  mit 4×4 Fahrzeugen über eine halsbrecherische Geländefahrt zu erreichen. Dies war/ist ein grosses Geschäft für die Taxifahrer in Stepandsminda, welche rund um die Uhr Touristen hoch chauffieren. Das wir selber mit Selma diese, naja schon ziemlich steile, Fahrt in Angriff nahmen nervte ein Taxifahrer dermassen, dass er sich kaum halten konnte… Oben angekommen machten wir mal alles Material für  die Tour bereit. Doch was nimmt man denn auf so ne Bergtour alles mit? Nebst dem technischen Material wie Klettergurt, Eisschrauben, Pickel, Seil etc. wären da noch Verpflegung, Kocher, Êssgeschirr, Kleidung, Apotheke und Schlafsäcke. Dies füllte schlussendlich zwei Rucksäcke mit ca. 20kg Material. Wir werden Tod kaputt sein wenn wir oben ankommen. Ach ja, und wir haben ja noch die Ski‘s, auch wenn hier weit und breit noch kein Schnee zu sehen ist. Nach dem täglichen Regenfall buckeln wir wohlüberlegt die Skier inkl. eingepackte Skischuhe 350hm bis zum ersten Schneefeld. Dort deponiert sollen sie uns morgen den Aufstieg zur Betlemi-Hut erleichtern. Denn diese 1600 Höhenmeter werden mit diesen schweren Rucksäcken ohnehin eine Tortur werden. Nach einer letzten Portion Powerpasta legen wir uns aufgeregt und nervös ins Bett.

Um sechs Uhr klingelt auch schon wieder der Wecker, auf geht’s zum Mt.Kazbek, einem wunderschönen doch sehr trügerischem Berg. Zu Fuss hoch zu den Skiern, noch top motiviert. Dass auch das Schneefeld nach ca. 400m bereits wieder vorbei ist lässt uns noch eiskalt, dann buckeln wir halt wieder. So geht es weiter, Stunde um Stunde, Skier an, Skier ab. Nach ca. 800hm sind dann die Nerven schon etwas gereizt. Schnee ist hier auf 3000m immer noch Mangelware, Lagebesprechung ist angesagt.

  • Option 1: Aufgeben und Abbrechen
  • Option 2: Ski’s in einer neu gebauten Hütte auf 3100m deponieren und Besteigung zu Fuss mit Skischuhen
  • Option 3: weiter mit Ski wie geplant.

Wir entscheiden uns für Option 2 und fragen den Hüttenwart, ob wir die Ski’s hier für die nächsten 3 Tage einlagern können. Dieser meinte jedoch jetzt haben wir sie bis hier getragen, wir sollen doch jetzt nicht aufgeben. Denn bald kommt der Schnee, danach seid ihr auf dem Gletscher und dann habt ihrs geschafft. Mit neuer Motivation vollgepackt buckeln wir erneut die Skier und suchen das nächste Schneefeld. Kurz vor dem Gletscher beginnt es dann auch noch heftig zu regnen, was mich beinahe in die Knie zwingt. Michelle füttert mich und päppelt mich wieder auf, sodass wir nach 8h die langersehnte Betlemi Hut auf 3600m erreichen. Ich kann sagen, das war wohl das Anstrengendste was ich bis jetzt in meinem Leben gemacht habe. Der Hüttenwart begrüsst uns mit einem georgischen Cognac, welchen er direkt hinter den Hanfpflanzen in seinem Office  versteckt hält.

Wir kochen noch Instantnudeln und legen uns früh völlig erschöpft auf die Holzbretter. Am Sonntag unternehmen wir zu Fuss mit leichtem Gepäck eine Akklimatisierungstour auf gut 4000m, wobei wir merken, dass es auch hier noch öfters heisst, Ski buckeln… Nach einer Trainingseinheit „Spaltenrettung“ kochen wir Chilli con Carne und Couscous zu Abend. Wir packen alles Material für die Gipfelbesteigung und versuchen vergebens noch etwas die Augen zu schliessen, bevor uns um 00.45 der Wecker ein Zeichen gibt.

Summit – Day 10.06.19

  • 00.45 Aufstehen, Haferflockenbrei mit Kondensmilch zu Frühstück
  • 01.40 Skier aufbinden, Stirnlampe an und los zu Fuss
  • 02.30 nach an und ab können wir nun durchgehend mit den Skiern gehen
  • 03.40 Anseilen auf dem Gletscher
  • 04.00 Querung der Khmaura Wall, welche durch stetigen Steinschlag als sehr gefährlich gilt
  • 05.00 Konstanter und angenehmer Aufstieg bis zum Maili-Plateau auf 4580, wir sind ganz alleine unterwegs
  • 05.30 Wunderschöner und farbenreicher Sonnenaufgang, Stirnlampen werden gegen Sonnenbrillen ausgetauscht
  • 07.00 Steiler Aufstieg zum Sattel, was uns zuerst zum Skiaufbinden, dann zu einem Skidepot zwingt.
  • 08.00 Depot von Rucksack und Seil auf dem Sattel, letzter und sehr steiler (~45°) Gipfelanstieg.
  • 09.00 Wir gratulieren uns und stehen überaus glücklich auf dem Gipfel vom Mt.Kazbek 5047müM
  • 09.15 sehr vorsichtiger Abstieg zum Sattel und weiter zu den Skiern
  • 10.00 herrliche Gletscherabfahrt mit zuletzt einigen Tragpassagen zurück zur Hütte.
  • 11.30 Ankunft in Bethlemi Hut, Lunch und Powernap

Wir sind Nudelfertig, entscheiden uns aber für den weiteren Abstieg bis zur Selma. Nachdem wir alles gepackt haben werden wir nochmals auf einen Schnaps vom Hüttenwart eingeladen, dann heisst runter zur Selma, zwei Nächte Holzgestell sind reichlich genug.

Die wenige Meter welche wir noch „fahren“ können sind sehr anstrengend, der Schnee ist so durchnässt das wir wie auf Klebstoff fahren. Ab ca. 3100 binden wir die Skier inkl. Schuhe auf und nehmen die restlichen 1000 Höhenmeter zu Fuss in Angriff. Um 17.00 erreichen wir völlig erschöpft und übermüdet, aber unendlich glücklich und stolz unsere geliebte Selma. Wir packen noch das nötigste aus und gönnen uns ein gutes Glas Wein und eine Schweizer (Päckli-) Rösti.

Mt.Kazbek, 5047m, ganz ohne Guide, toll wars.

2 Replies to “Kaukasus Teil 3 – Die nun wirklich letzte Skitour”

  1. Wow Gratulation!! Wir haben an euch gedacht! Sonntag früh war es auch im Tal traumhaft, wolkenlos; Kazbegi war in seiner voller Pracht zu sehen.. und wir glauben 2 kleine Männlein/Weiblein am Gipfel gesehen zu haben..;-) Toll!

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  2. Heei Stefi, danke für eure gedankliche Unterstützung. Das Gespräch und Glas Wein mit euch haben wir sehr genossen. Hoffe ihr hattet einen guten Heimflug. Bis irgendwann in Wien oder der Ch =)

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